Reformkonzept für Notfallversorgung

Krankwagen Rettungsfahrzeug Notarzt

Patientinnen und Patienten sollen in medizinischen Notfällen in Krankenhäusern künftig schneller und effektiver versorgt werden. Die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ auf Bundesebene hat hierzu Reformvorschläge vorgelegt. So sollen flächendeckend integrierte Notfallzentren (INZ) sowie integrierte Leitstellen (ILS) aufgebaut werden.

Die Vorschläge der Regierungskommission im Einzelnen:

Flächendeckender Aufbau von integrierten Leitstellen (ILS):

  • Hilfesuchende, die sich in einem Notfall an den Rettungsdienst (112) oder an den kassenärztlichen Notdienst (116117) wenden, sollen initial durch eine integrierte Leitstelle nach telefonischer oder telemedizinischer Ersteinschätzung der für sie am besten geeigneten Notfallstruktur zugewiesen werden.
  • Aufgrund unmittelbarer Erreichbarkeit rund um die Uhr, guter medizinischer Beratung und telemedizinischer ärztlicher Hilfe sowie verbindlicher Terminvermittlung sollen ILS für Betroffene so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden.
  • Durch von medizinisch qualifizierten Fachkräften in den ILS vorgenommene standardisierte, wissenschaftlich validierte, softwaregestützte und qualitätsgesicherte Ersteinschätzung soll eine Über- oder Unterversorgung von Notfällen verhindert werden. Gleichzeitig werden die knappen Ressourcen optimal genutzt. Notaufnahmen in Krankenhäusern sollen so möglichst nur von Hilfesuchenden genutzt werden, die diese komplexen Strukturen wirklich benötigen.

Aufbau von sog. integrierten Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung:

  • INZ sollen aus einer Notaufnahme des Krankenhauses, einer KV-Notfallpraxis sowie einem „Tresen“ als zentrale Entscheidungsstelle bestehen.
  • Durch den Aufbau von INZ an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung (insgesamt derzeit rd. 420 in Deutschland) sollen Patientinnen und Patienten durch eine bedarfsgerechte Steuerung den richtigen Strukturen zugewiesen werden – entweder in die Notaufnahme des Krankenhauses oder die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung.
  • Die Beteiligung sowohl der KVen als auch der Krankenhäuser am INZ ist verpflichtend. Damit ist sichergestellt, dass die Lasten gleich verteilt werden.
  • Zudem sollen integrierte Notfallzentren für Kinder- und Jugendmedizin (KINZ) an Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin sowie Krankenhäusern mit einer pädiatrischen Abteilung aufgebaut werden.

Finanzierung

Für die Einrichtung der KV-Notdienstpraxen in den INZ soll eine angemessene, zusätzlich zu gewährende Investitionskostenunterstützung bereitgestellt werden. Die Notfallversorgung von Erwachsenen und Kindern soll unter Einbeziehung einer Vorhaltekomponente bedarfsgerecht finanziert werden. Dafür werden zwei Finanzierungsmodelle vorgeschlagen:

  • Variante 1 – Vergütung innerhalb der Systeme: Die Vergütung regelt die KV; die Vergütung der Notaufnahmen setzt sich aus einer 60-prozentigen Vorhaltepauschale und einer Fallpauschale zusammen.
  • Variante 2 – gemeinsamer Finanzierungstopf: Prinzip „Gleiches Geld für gleiche Leistung“ wird angewandt, unter Berücksichtigung von Schwere und Komplexität der zu behandelnden Notfälle; Finanzierungstopf setzt sich aus Mitteln des KV- und des Krankenhaussystems zusammen.

Darüber hinaus sind Ausgleichszahlungen vorgesehen, die im Falle einer Nichterfüllung der Aufgaben zu leisten sind. Für jeden Tag, an dem die KV eine Notdienstpraxis nicht zu den vereinbarten Zeiten betreibt oder die Notfallpraxis nicht oder nur unzureichend besetzt oder sie anderweitig Qualitätsstandards nicht erfüllt oder der Notdienstpraxis zugewiesene Patientinnen und Patienten nicht versorgt, sind diese fällig. Gleiches gilt für die Krankenhäuser für jede Stunde, in der die Notaufnahme von der Notfallversorgung abgemeldet ist. Die Höhe des Ausgleichsbetrags soll dabei deutlich höher liegen als die durch die Nichterfüllung eingesparten Kosten.

Anmerkung:

In der letzten Legislaturperiode sind zwei Anläufe zur Neustrukturierung der Notfallversorgung gescheitert. Es kommt zu unnötigen Kosten sowie Qualitäts- und Zeitverlusten in der Zusammenarbeit zwischen Rettungsdienst, ärztlichem Bereitschaftsdienst und den Notaufnahmen der Kliniken. Darunter leiden die Patientensicherheit und die Zuverlässigkeit der Versorgung. Fehlgeleitete Patientenströme führen zu einer unnötigen Belastung der Klinikkapazitäten. Mit der Schaffung von Integrierten Leitstellen und der Bündelung der Notfallversorgung in Integrierten Notfallzentren zeigt die Reformkommission den richtigen Weg auf. Positiv ist weiter das Ziel, durch gestufte Angebote der ILS, von der telemedizinischen Beratung, über die direkte Vermittlung von Arztterminen bis hin zum Hausbesuch durch den KV-Bereitschaftsdienst den hilfesuchenden Patienten adäquate Angebote zu machen. Überlegenswert ist weiter, hochqualifizierte Pflegekräfte und Gesundheitsfachberufe jenseits der Mediziner verantwortlich zu beteiligen. Die Rolle des Patienten als Auslöser der Inanspruchnahme notärztlicher Leistungen wird von der Kommission leider nicht beleuchtet.

16.03.2023